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Bericht zu meinem Gastvortrag an der Hochschule Bielefeld im Fachbereich Sozialwesen.

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Ein reger Austausch mit Studierenden des Seminars „Unterstützung von Menschen mit Hörbeeinträchtigung als Aufgabe Sozialer Arbeit"

Bereits im Herbst 2023 fragte mich Dr. Sascha Roder, den ich bereits seit 2010 von verschiedenen Events, Musik - und Chorprojekten kenne, ob ich mir vorstellen könnte, einen Gastvortrag an der Hochschule Bielefeld bei seinen Studierenden über meine persönliche Erfahrung mit der Hörschädigung, sowie meiner langjährigen Selbsthilfetätigkeit halten zu können.

Sehr gerne willigte ich ein, besonders deshalb, weil mich die Atmosphäre unter Studierenden interessierte!

Am 05.12.23 war es nun so weit, der Termin war gegen 16 – 17.30 Uhr angesetzt. Ein besonderer Dank gilt hier meinem Ehemann, der sich bereit erklärte, an diesem Tag unter äußerst schlechten Wetterbedingungen zu fahren, immerhin mehr als 300 km!

Dr. Sascha Roder holte uns im Eingangsbereich der Hochschule ab und gemeinsam gingen wir zum Seminarraum, wo sich auch schon ca. 25 interessierte Studierende eingefunden hatten.

Dr. Sascha Roder begrüßte alle recht herzlich, stellte mich vor und sprach einführende Worte zu unserer langjährigen Zusammenarbeit.

Auf Wunsch berichtete ich über meine Erfahrung mit der Hörschädigung, die mit 37 Jahren durch einen Hörsturz begann, nachdem ich bis dahin gut gehört hatte, in verschiedenen Chören mit öffentlichen Auftritten gesungen hatte, meine Schulzeit völlig unauffällig, was das Hören anging, absolvierte, sowie mein Examen als Kinderkrankenschwester machte.

Ein bedeutender Einschnitt war dieser erste Hörsturz in Kombination mit stark ausgeprägtem Tinnitus nach einem anstrengenden Dienst im Krankenhaus! Es folgten mehrere Hörstürze beidseitig in den darauffolgenden 13 Jahren. Ich erlebte eine wahre Odyssee – keine Therapie konnte mir helfen, der Leidensdruck war immens! Ich bekam volldigitale Hörgeräte, die mir aber leider nach 13 Jahren kein ausreichendes Sprachverstehen mehr ermöglichten. Nach langer Recherche entschied ich mich endlich zur Cochlea–Implantation. Es war die beste Entscheidung, die ich habe treffen können!

Fragen der Studierenden an mich: Wie erlebte ich die Versorgung mit zunächst einem, dann einem zweiten Cochlea Implantat? Wie waren die Schritte zu einem Sprachverstehen und später zu einem Musikverstehen?

Schon nach kurzer Zeit der Erstanpassungen durch Audiologen und intensiven Übens in speziellen Trainingseinheiten durch Logopäden und Audiotherapeuten, insbesondere durch eine fünfwöchige stationäre Reha, erreichte ich ein gutes Sprachverstehen. Üben von Vokalen und Konsonanten, Einsilber und ähnlich klingende Einsilber, vorgelesene Texte Satz für Satz nachsprechen (Speech Tracking), Hören und Verstehen in Ruhe und in geräuschvoller Umgebung (Foyer, Lokal, Kirche Konzerthalle), Das Richtungshören/räumliches Hören – wurde erst gut mit zwei CI's!

Das Musikverstehen mit nur einem CI war noch schlecht. Mit zwei CI's zu hören, brachte für mich den Durchbruch zum Musikhören – allerdings nach Jahren des intensiven Trainings mit von mir bekannten Musikstücken aus meiner Zeit des guten Hörens. Aufgeben kam für mich nicht in Frage!

Und so entstanden dann zusammen mit Dr. Sascha Roder, der einen guten Kontakt zu den Musikern der Oper Frankfurt und der Musikhochschule hatte, unsere vielfältigen Musikprojekte, Tanz -, Percussion- und inklusiven Chorprojekte.

Fragen der Studierenden an mich: Wie hört es sich an mit CI?

Anfangs blechern, nach Computerstimme, wie Micky-Maus, ein gewisser Nachhall, was sich aber nach jeder neuen Sprachprozessor – Einstellung durch den Audiologen verbesserte. Nach einiger Zeit hörte es sich ganz normal an.

Fragen der Studierenden an mich: Warum arbeite ich in der Selbsthilfe? Was sind die wichtigsten persönlichen Beweggründe gewesen, um andere Menschen zu beraten?

Ich habe mich für die Arbeit in der Selbsthilfe entschieden, weil ich etwas zurückgeben wollte, da ich vor meiner Implantation Menschen mit CI kennengelernt hatte, die mir sehr hilfreich bei meiner Entscheidungsfindung zur Seite standen.

Entscheidend ist für mich dabei auch, Fragen angehender CI-Kandidaten zu beantworten, ihnen Zweifel und Ängste zu nehmen, indem ich ihnen von meinen eigenen, ähnlichen Erfahrungen berichte. Bei nur einseitig ertaubten Menschenorganisiere ich Treffen mit Menschen, die bereits über ihre ganz speziellen Erfahrungen und Trainings nach einseitiger CI-OP berichten können. Auch die Öffentlichkeitsarbeit spielt hier für mich eine große Rolle, wie z.B. Infostände am CI-Tag, am SHG-Tag im Römer und am Hörtag an der HNO-Universitätsklinik Frankfurt am Main.

Fragen der Studierenden an mich: Wohin entwickelt sich aus meiner Sicht die Selbsthilfe für hörbeeinträchtigte Menschen, insbesondere für die junge Selbsthilfe, Versorgung von Kindern? Spielt dies eine zunehmende Rolle oder nicht?

Ja! Die junge Selbsthilfe Deaf Ohr Alive (DOA) ist sehr aktiv, auch besonders auf Social Media. Taube Ohren, die trotzdem hören…. sie sind durch Spaß geformt, leiten Blogwerkstätten, organisieren Events und Seminare und treffen sich spontan in Lokalen und Kneipen, um Spaß zu haben und sich auszutauschen.

Die Erwachsenen Selbsthilfe, darunter Berufstätige und nicht mehr Berufstätige, organisieren Stammtische, CI-Cafe's, Hörtrainings, Exkursionen, um die Kommunikation zu fördern und Öffentlichkeitsarbeit mit viel Beratungsbedarf.

Für die CI-Kinder gibt es eigenständige Eltern-Kind-Gruppen wie die „Kleinen Lauscher" und die Elternvereinigung hörgeschädigter Kinder in Hessen e.V. Das „CIC Cochlear Implant Centrum Rhein-Main" engagiert sich seit sehr vielen Jahren intensiv für die Hör- und Sprachförderung für Kinder.

Wichtig ist für mich, dass sich die Selbsthilfe mit neuen Ideen, vielleicht einem neuen Stil, aber weiterhin mit viel Engagement und Empathie weiterentwickelt.

Eine Studentin berichtete über eigene Hörstürze und ihr großes Interesse an der Hörproblematik! Sie möchte sich später diesbezüglich in sozial-pädagogischer Hinsicht beruflich orientieren. Sie äußerte, durch meinen Vortrag erfahren zu haben, dass es auch dann, wenn Hörgeräte nicht mehr ausreichen, noch Hilfe durch das CI gibt und diese Erkenntnis habe sie enorm beruhigt.

Januar 2024
Ingrid Kratz 

Die Studierenden an der Hochschule Bielefeld haben sich in dem Seminar „Unterstützung von Menschen mit Hörbeeinträchtigung als Aufgabe Sozialer Arbeit“ intensiv mit Fragen zu ein- und beidseitigen Höreinschränkungen bei Spät-Schwerhörigen und Spät-Ertaubten, der Versorgung mit einem Cochlea-Implantat und den damit einhergehenden ethischen Aspekten wie auch konkreten Fragen zur beruflichen und sozialen Teilhabe beschäftigt. Die Seminarsitzung zu „Selbsthilfe-gruppen“ wurde bis zu dem Gastvortrag von Ingrid Kratz nur kurz angeschnitten, denn der Schwerpunkt bei diesem wichtigen Thema sollte auf den praxisbezogenen Austausch mit einem langjährigen Profi gelegt werden.
Es zeigte sich bereits nach kurzer Zeit, wie besonders die Geschichte und die Erlebnisse von Ingrid Kratz sind. Die Studierenden zeigten sich sichtlich beindruckt, besonders über das Durchstehen und die allmähliche Akzeptanz einer Höreinschränkungen über viele Jahre. Das Teilhaben an den vielfältigen Stationen mit Rückzugstendenzen durch die zunehmende verschlechternde Hörleistung, das Einlassen auf die erste und dann später zweite Versorgung mit einem Cochlea-Implantat sowie die vielfältigen Erfahrungen in der Selbsthilfearbeit verdeutlichte den angehenden Sozial-arbeiter*innen, was sich hinter dem Thema „Unterstützung von Menschen mit Hörbeeinträchti-gung“ verbergen kann. Noch Wochen später, zum Ende des Semesters und dem Rückblick auf die inhaltlichen Facetten des Seminars betonten die Studierenden die Wichtigkeit dieses praktischen Einblicks sowie ihren Erkenntnisgewinn. So gut ich als Lehrperson auch über die Praxis und von meinen Erfahrungen im Austausch und der Arbeit mit hörbeeinträchtigten Menschen berichten kann: nichts reicht an die unmittelbaren Berichte von selbst Betroffenen heran. Keine Theorie kann so nachhaltig wirken wie das unmittelbare Erzählen von Menschen, die selbst vor einer Hörschädigung betroffen sind und ihre Eindrücke darlegen. Wir sind sehr dankbar, das Ingrid Kratz uns auf ihrer Reise durch ihre sehr persönlichen Erfahrungen mitgenommen hat.
Dr. Sascha Roder, Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Hochschule Bielefeld.
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