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DCIG-Fachtagung 25. – 27. Mai 2018, Hamburg

Erfolg in der CI-Versorgung - machen WIR alles RICHTIG !?

Auf Einladung der Deutschen Cochlea Implantat Gesellschaft e. V. trafen sich Aktive rund um die Themen Hörverlust und Hören mit Cochlea Implantat zu ihrer 6. Fachtagung in Hamburg. Interessant dabei: 78 % der über 200 Teilnehmer und Teilnehmerinnen sind aktiv in der Selbsthilfe unterwegs.

Die Rahmenbedingungen zur Fachtagung konnten nicht besser sein. Es erwartete uns Kaiserwetter in Hamburg, die Katholische Akademie liegt zentral  in der City, war gut erreichbar und bot hervorragende akustische und technische Bedingungen.
Matthias Schulz, Vorsitzender  CIV Nord, sowie sein Verbandskollege Pascal Thomannbegrüßten die zahlreichen Gäste. Sie kündigten ein abwechslungsreiches und inhaltlich anspruchsvolles Tagungsprogramm an. Einleitende Video-Interviews zu Problemen und Misserfolgen in der CI-Versorgung sollten bereits auf das Schwerpunktthema „Erfolg in der CI-Versorgung – machen WIR alles RICHTIG!?“vorbereiten und sensibilisieren. Gleichzeitig wurde deutlich: Erfolg wird ganz unterschiedlich wahrgenommen und definiert.

Dr. Roland Zeh, Präsident der DCIG, leitete die Tagung mit den Worten ein: „Die CI-Versorgung ist in Deutschland so gut wie nirgendwo anders. Manchmal jammern wir auf einem hohen Niveau.“ „Gleichzeitig sind die CI-Träger mit den besten Ergebnissen nicht unbedingt die zufriedensten.“
Das Grußwort sprach Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks. Für rund 15 Mio. Menschen mit eingeschränktem Hörvermögen in Deutschland bedeutet dies eine enorme Beeinträchtigung in ihrem Alltag. Selbsthilfe ist eine unverzichtbare Säule in der Gesellschaft. Es werden Kontakte gepflegt und Erfahrungswissen weitergegeben. Selbsthilfe bedeutet aber auch, als Sprachrohr der  Patienten gegenüber Politik und Gesellschaft aufzutreten. Die gesetzlich fundierte Selbsthilfeförderung durch Krankenkassen ist deshalb notwendig, wichtig und gut.
 
Ärzte, Wissenschaftler, Firmenvertreter, CI-Patienten und deren Angehörige hatten im Rahmen der Veranstaltung eine gute Gelegenheit, sich miteinander auszutauschen. Die Vorträge beinhalteten Wissenswertes zu Erfolgsfaktoren und Erfolgsmaßstäben mit dem Ziel, gemeinsame Lösungsansätze zur weiteren Optimierung der CI-Versorgung zu erarbeiten.

Uwe Knüpfer, Chefredakteur der Fachzeitschrift SCHNECKE, regte zum Nachdenken an. „SCHNELLER – HÖHER – WEITER“ ist das Motto unserer Leistungs- und Wachstumsgesellschaft schlechthin. Oben stehen auf der Siegertreppe, immer und überall – im Beruf, im Sport und auch in der CI-Versorgung!? Müssen wir alle ausnahmslos dieses  ehrgeizige Motto für uns in Anspruch nehmen? Was ist mit den Menschen, die dies nicht erreichen?  Leben besteht aus der Suche nach dem eigenen Selbst, aus Verlieren und Gewinnen, und daraus, die eigenen Möglichkeiten zu erkennen und auszuschöpfen, aber auch eigene Grenzen zu akzeptieren. Uwe Knüpfer gab uns ein besseres, sein Motto zur Relativierung unserer persönlichen Erwartungshaltung mit auf den Weg: „DABEI SEIN IST ALLES“ - eine bemerkenswerte Anregung.

Doch zunächst waren die Fragen:

  • Was ist Erfolg? Wie messe ich Erfolg?
  • Was läuft nicht so gut, wo können wir noch verbessern?
  • Welchen Beitrag kann die Selbsthilfe bringen?

Stefan Wetzel, HörTech Oldenburg,erläuterte die unterschiedlichsten Messtechniken von Hörerfolgen, beginnend bei der Tonaudiometrie über diverse Sprachverständlichkeitstests bis hin zu psychometrischen Messverfahren, die Auskunft über die persönliche Lebensqualität gibt. Zukünftige Messverfahren haben ihren Schwerpunkt im Richtungshören und sollen darüber hinaus Auswertungen zur subjektiven Höranstrengung unter Einbezug von Störgeräuschen und/oder diverser Landessprachen beinhalten.

Prof. Dr. Martina Hielscher-Fastabend, Bielefeld,und ihre Arbeitsgruppe nahmen sich dem Erfolgsmaßstab im Spracherwerb bei der CI-Versorgung von Kindern an. Diverse Sprachentwicklungsdiagnostiken einiger angefragter CI-implantierenden Kliniken gaben Auskunft über Ergebnisse zu Sprachverständnis (Sinn und Bedeutung), Sprachverständlichkeit (Hören, Verstehen, Zeigen) sowie Spracherwerb. Es konnte festgestellt werden, dass viele Bereiche gute Beratungsergebnisse entsprechend der Leitlinien erzielen. Allerdings fühlten sich rund 20% der Eltern in der Beratung noch nicht ausreichend gut aufgehoben.
Prof. Dr. Ing. Uwe Baumann, Universitätsklinik Frankfurt,nannte maßgebliche  Schlüsselfaktoren zum Erfolg bzw. Misserfolg einer CI-Versorgung. Einfluss haben insbesondere der Beginn bzw. die Dauer der Hörminderung (sprachliche Entwicklung bei Beginn der Hörminderung), Ursachen der Hörstörung (Erkrankungen des Hörnervs, Verknöcherung der Cochlear, akuter Hörsturz) sowie die Hörnerven-Integrität.

Horst Warncke von der Firma Oticonbeschäftigte sich in seinem Vortrag mit der Pupillometrie. Körperliche Ermüdung und Überforderung sind leicht durch eine Pupillenverengung feststellbar. Sprachverständlichkeit als klassisches Maß für Erfolg sind entscheidend für die Tragedauer des CI‘s, für den Hörkomfort und damit auch für die „Leichtigkeit des Hörens“. Ziel ist nicht nur ein optimales Sprachverstehen, sondern insbesondere eine geringere Anstrengung beim Hören.
Dr. Oliver Niclaus vom Hanseatischen CI-ZentrumHamburgbetonte, den Gesamterfolg nur im Team erreichen zu können. Danach ist eine standardisierte Versorgung nach den vorhandenen Leitlinien, der Kooperationswille des Patienten, die fachliche Unterstützung der Ärzte und Institutionen, die aktive Nachsorge, kontinuierliche Hörtrainings sowie die Einbindung bzw. der Kontakt zur Selbsthilfe erforderlich.

Prof. Birger Kollmeier, Hörzentrum Oldenburg,betonte das Interesse an audiologischen Daten, die es zu steuern und zu strukturieren gilt mit dem Ziel, aussagekräftige Analysen durchzuführen. Der Vorteil, über anonyme Datensammlungen Expertenrat  zu bündeln und einhergehende Diagnosen und Behandlungen weiter optimieren zu können, wiege weit mehr als die Gefahr mangelnden Datenschutzes.

Dr. Christof Stieger aus Baselerläuterte anhand des Modells der „Schweizer Datenbank“ den dort bereits stattfindenden Daten- und Wissensaustausch.

Prof. Tim Stöver, Universitätsklinik Frankfurt,bestätigte die Bemühungen um eine bundesweit einheitliche Erhebung und Dokumentation anonymer CI-Daten durch eine Arbeitsgruppe der DGHNO (Deutsche Gesellschaft für Hals Nasen- und Ohrenheilkunde). Ziel soll es sein, auf Basis dieses wissenschaftlichen Registers weiter zur Qualitätssicherung  und -verbesserung beizutragen. Die sich anschließende TED-Abfrage des Auditoriums beurteilte ein solches Datenregister als wichtig (93%) bzw. war davon überzeugt, dass ein solches Register die Qualität der CI-Versorgung verbessern kann (80%).

Dr. Horst Hessel, Cochlear Deutschland GmbH,erläuterte die umfangreichen Parameter, die in einem persönlichen, individuellen Hörprogramm – der sogenannten MAP - eingestellt werden können. Diese Parameter geben allerdings keine Auskunft über die Hörqualität bzw. der persönlichen Performance des CI-Patienten. Die zukünftigen Herausforderungen liegen deshalb in klar definierten Zielvorgaben: Welche Hörleistung sollte der CI-Patient erreichen? Wer misst die Werte? Wer übernimmt die Anpassung? Was kann automatisiert werden? – und das alles unter aktiver Einbindung des CI-Trägers.

David Nguyen-Dalinger, Hanseatisches CI-Centrum Hamburg,forderte das Auditorium heraus mit der Frage „Brauchen wir in 2030 noch Audiologen?“ Im Zeitalter von Telemedizin, Smartphone und Hörtrainings-Apps konnte abschließend festgestellt werden, dass sich eine umfassende Versorgung mit den heutigen Techniken sicher komfortabler gestalten lässt, jedoch die individuelle Beratung und Versorgung durch den persönlichen Kontakt zu Ärzten und Audiologen nicht ersetzt. Dem emotionalen Hinweis von Barbara Gängler, Geschäftsführerin der DCIG, „Ein Audiologe ist nicht nur Techniker, sondern sollte auch Therapeut sein!“ wurde zustimmender Beifall gezollt. Die sich anschließende TED-Abfrage zeigte auf, dass 55% der CI-versorgten TeilnehmerInnen sich ihren Audioprozessor gerne selbst - in definierten Grenzen - anpassen würden, bei Bedarf aber auch auf den Audiologen zurückgreifen wollten.

Dr. Matthias Hey, Universitätsklinikum Schleswig Holstein,nahm uns mit auf eine kleine Zeitreise. Zunächst war das CI nur als Unterstützung zum Lippen ablesen eingesetzt. Das Sprachverstehen verbesserte sich dennoch auf 60 %, Verständnis in ruhiger Umgebung sogar auf 90 % und besser. So wurde das CI vom Hilfsmittel zur Hörunterstützung bis hin zur eigenständigen Hörprothese für offene Kommunikation. Ziel in der Fortentwicklung ist die evidenzbasierte Medizin, d. h. die medizinische Indikation erfolgt unter Anwendung externer wissenschaftlicher Datenanalysen und deren Ergebnisse.

Gregor Dittrich, Geschäftsführer MedEL Deutschland,bestätigte die hohe Qualität der streng kontrollierten Medizinprodukte nach ISO 13485. Die Qualitätskontrollen erstrecken sich über theoretische Fehleranalysen, Haltbarkeitsprüfungen der Materialien, Prüfungen der Prozess-Schritte nach Sicherheit, Risikobewertungen der einzelnen Prozess-Schritte, aufwendige Testverfahren, konservative Produktenwicklung, Produktkontrolle, kontinuierliche Verbesserung der Produkte und seit neuester Zeit unter Vorlage wissenschaftlicher Studienergebnisse.

Die TED-Befragungen ermittelten den meisten Handlungsbedarf in der Therapie, dabei insbesondere in der Problemanalyse, der Hörberatung, im Verhaltens- und Kommunikationstraining, in der Handhabung von technischen Hilfsmitteln, in der Unterstützung der Akzeptanz der eigenen Hörschädigung sowie in der Trauerarbeit und Krankheitsbewältigung.

Vergleichbarkeit erhofft sich von einem bundesweiten Datenregister die Techniker Krankenkasse. Göran Lehmann, Hamburg,stellte deren Qualitätsinitiative vor. Die Fallzahlen in der CI-Versorgung steigen (derzeit 4.000 Implantate/Jahr) bei einer relativ teuren Leistung durch die Krankenkassen. Ziel ist es, bundesweit eine einheitliche Leistungsbeschreibung zu erarbeiten,  die die Qualität der Behandlungs- und Nachsorgeangebote verbindlich sicherstellen. Darüber hinaus ist eine evidenzbasierte Patientenversorgung (wissenschaftliche Belegbarkeit von Behandlungserfolgen) zu schaffen.

Pädagogik-Professor Dr. Manfred Hintermair, Heidelberg,schilderte anhand der Ergebnisse einer Befragung gehörloser und hörgeschädigter Erwachsener die Faktoren für beruflichen Erfolg. Persönliche Fähigkeiten, wie soziale Kompetenz, Selbstkenntnis, soziales Netzwerk sowie der Schriftspracherwerb stellten dabei einen höheren Stellenwert dar als Fachkompetenz und Fortbildungsmaßnahmen.

Dr. Roland Zeh, DCIG-Präsident,umfasste in seinem Schlusswort noch einmal alle Themen. Die Mehrheit der CI-TrägerInnen sind mit ihrem CI zufrieden, dies zeigten die TED-Abfragen deutlich. Erfolg kann jedoch sehr unterschiedlich interpretiert werden. Er hängt maßgeblich von den eigenen persönlichen Erwartungen ab. Dabei sind die besten CI-Träger nicht zwingend die zufriedensten.  Messbarer Erfolg ist mit den unterschiedlichsten Testverfahren möglich. Eine neue Dimension verspricht die Hörleichtigkeit. Eine Untersuchung der Augen gibt die Anstrengungen des Hörens wieder. Die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten. Datenbanken zur Qualitätskontrolle sind wertvoll und wichtig. Die Einführung eines wissenschaftlichen CI-Registers in Deutschland ist deshalb sinnvoll und erstrebenswert. Die Mehrheit der CI-TrägerInnen sowie der Fachleute erwartet damit eine weitere Verbesserung in der CI-Versorgung. Die Selbstanpassung des eigenen Sprachprozessors ist in Grenzen möglich. Die Mehrheit der CI-TrägerInnen möchte diese Möglichkeit auch nutzen, gleichzeitig aber nicht auf die Unterstützung des Audiologen verzichten. Qualitätsmanagement-Programme helfen, Fehler zu vermeiden. Gefordert ist eine strukturierte und qualifizierte Ausbildung der Audiologen. Qualitätsinitiativen der Krankenkassen werden befürwortet. Fehler müssen angesprochen werden, damit Lehren und Konsequenzen daraus gezogen werden können. Aber wir sollten auch nicht vergessen, dass die CI-Versorgung in Deutschland sich bereits und insbesondere im Vergleich zu anderen Ländern auf sehr hohem Niveau bewegt.

Die junge Selbsthilfe

Kreativ und quicklebendig zeigte sich die junge Selbsthilfe und stellte ihre beeindruckenden Initiativen  und Aktionen vor. Dabei wurden über 200 junge Menschen in bislang diversen Blockwerkstätten zu unterschiedlichsten Themen und Workshops erreicht. Eine TOLLE Leistung!

Überreichung der Selbsthilfepreise 2016/2017

2016 für die Aktion "CI-Kopf" des CIV-NRW. Über 140 CI-TrägerInnen hatten sich mit ihrem CI fotografiert bzw.  fotografieren lassen und ihren "Kopfschmuck" stolz präsentiertmit dem Ziel, das CI weiter in der Öffentlichkeit bekannt zu machen.
2017 für das Projekt "Wie wird’s verständlich? - Seminar für junge Erwachsene" des CIV-BAWÜ. Im Schwarzwald trafen sich 17 junge hörgeschädigte Menschen und setzten die mit der DCIG Blogwerkstattbegonnene Initiative der Jungen Selbsthilfeauf regionaler Ebene fort.

Abendprogramm

Auch für Entspannung an den Abenden war gesorgt. Zum „Abend der Begegnung“ begeisterte die Berlin-Brandenburger CI-Truppe mit einer gekonnten Tango-Einlage. The Beefees sorgten mit einem bunten Musikmix der 1970er  bis 1990er Jahre für begeisterte Zuhörer und lebhafte Tanzeinlagen. Die Junge Selbsthilfe versorgte die Gäste mit einer reichen Auswahl an Cocktails.

Der zweite Abend beeindruckte mit einem Besuch in der Elbphilharmonie. Die Pianistin Elisabeth Leonskaja konnte im Großen Saal mit Sonaten von Beethoven und Schubert brillieren, während rund 70 CI-TrägerInnen (!) diese musikalische Reise genossen.

Eine tolle, informative und abwechslungsreiche Fachtagung, zu deren Gelingen ich alle Organisatoren und Aktive herzlich beglückwünsche.

Fotos: SF

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