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Workshop „Hören ist Lebensqualität“ im Kloster Neustadt

Foto: Lothar Neuberg Foto: Lothar Neuberg

Wieder einmal waren wir in Neustadt an der Weinstraße im Herz-Jesu-Kloster vom 17.-19.03.23 zu einem CI-Workshop zusammengekommen.

Am Freitag, dem Ankunftstag, führte uns nach dem Zimmer-Einchecken Bruder Joseph per Höranlage durch das Kloster und erzählte ausführlich über die Missionarsgeschichte des Klosters sowie über die verschiedenen christlichen Symbole und was sie - zu Ostern - zu bedeuten haben. Das war sehr interessant gewesen, er sprach gut verständlich: langsam, deutlich und hochdeutsch 😉.

Nach dem Abendessen folgte mit der Audiotherapeutin der Bosenbergklinik von St. Wendel, Frau Eva Strässer, eine Kennenlernrunde: wir erhielten von allen Teilnehmern Einblicke in die unterschiedlichsten Hörschicksale und auch sie erzählte uns, was sie selbst erlebt hatte. Danach konnte, wer wollte, in der Klosterschenke noch einen fröhlichen Abend genießen.

Am Samstag, nach einem reichhaltigen Frühstück, ging es um die Thematik - das Hören - welches sehr komplex ist. Es gibt unglaublich viele Ursachen, die zu Problemen an den Ohren führen können.

Da ist einerseits die Hörschädigung allgemein; der Tinnitus (Ohrgeräusche); die Hörstürze; die enorme Anspannung beim Verstehen (HWS, Kopfschmerzen, Kieferbeschwerden, Überlastung); das Gleichgewicht, welches am Hörorgan an den Bögen liegt und Morbus Meniere (Schwindel mit/ohne Übelkeit und Erbrechen) auslösen kann; die flüssigkeitsgefüllte Schnecke, durch die die Elektroden bei der CI-OP geschoben werden und die während der OP daher etwas Flüssigkeit verliert und somit zeitweise Gleichgewichtsprobleme auslösen kann und damit z.B. auch Gangunsicherheit - all das liegt alles ganz nah beieinander mit vielen Begleiterscheinungen.

Dann ist da noch der Gesichtsnerv Facialis, auf den während der CI-OP geachtet wird, dass dieser nicht durchtrennt wird; der Hörnerv (ist der Hörnerv nicht intakt, dann kann keine CI-OP durchgeführt werden, da keine Verbindung zum Hörzentrum im Kopf besteht); das Richtungshören, welches nur funktioniert, wenn der Hörstatuslevel auf beiden Seiten ähnlich ist; auch die Merkfähigkeit, die im psychologischen Teil zum Tragen kommt, leidet extrem, weil das Gehirn mit anderen Dingen (z.B. mit dem akustischen Verstehen) beschäftigt ist; körperliche Verspannungen, bei der es im Körper kribbelt wie tausend Ameisen; die Erwartungshaltung, die zu „mehr beweisen wollen" führt, die Gereiztheit, Schlafprobleme und vieles mehr.

Bei Tinnitus hilft keine Tablette. Er warnt uns vor dem „Zuviel Wollen", was heißt, dass dringend (Hör-)Pausen eingelegt werden sollten. Man sollte den Tinnitus einfach akzeptieren und nicht bekämpfen. Durch die Akzeptanz trete er in den Hintergrund und irgendwann nimmt man ihn kaum noch wahr. Das ist etwa so, als wenn man an einer starkbefahrenen Straße wohnen würde, an Bahngleisen oder in der Einflugschneise: die lauten Autos, Züge oder Flugzeuge registriert man nach einer Weile kaum noch.

Eine Sprachbanane zeigt an, in welchen Frequenzen und bei welcher Lautstärke welche Laute gehört werden. Alle Buchstaben liegen bei bestimmten Frequenzen und Lautstärken, in Form einer Banane, daher das Wort Sprachbanane. Bei Hörverlust fallen Frequenzen weg und/oder werden erst bei einer bestimmten Lautstärke gehört - oder werden bei starkem Hörverlust gar nicht mehr gehört. Wenn man jetzt diese Buchstaben aus einem Satz herausstreichen würde, weil man sie nach der Hörkurve bei einer bestimmten Lautstärke nicht mehr hört, dann würde man den Satz auch nicht mehr verstehen können. Und oft ist dann auch ein Kombinieren nicht mehr möglich, wenn zu viele Buchstaben nicht verstanden werden, dann beginnt das Raten, was dann auch schnell zu Missverständnissen führen kann. Dies ist ein guter Punkt, einem Hörenden zu erklären, wie man „schlecht" hört.

Und damit sind wir bei der Kommunikationstaktik. Was ist denn wichtig, damit wir Hörgeschädigten gut verstehen können?

Zuallererst ist das der Blickkontakt und gutes Licht, damit auch ein Absehen möglich ist. Dazu ist weiterhin wichtig, hochdeutsch, deutlich und langsam zu sprechen und nach Möglichkeit in kurzen Sätzen, sonst hat man schon vergessen, was zu Beginn des Satzes gesagt worden war. Überhaupt sind nur max. 30% vom Mund absehbar, ein Teil erfolgt durch Mimik und Gestik und der Rest wird kombiniert. Das erklärt auch, warum es schnell zu Missverständnissen kommen kann, weil manche Laute eine ähnliche Mundbewegung haben: z.B. Mutter - Butter - Kutter oder Hose - Rose - Dose …

Auch ein Raum ohne Hintergrundgeräuschen wäre vorteilhaft beim akustischen Verstehen. Hörende können die Störgeräusche irgendwann ausblenden (z.B. Drucker, Kaffeemaschine, Züge), das können die Hörgeschädigten nicht, sondern sie benötigen immer mal wieder Hörpausen, weil das Verstehen anstrengend ist. Im Büro ist eine Wand hinterm Rücken sehr angenehm, um sich nicht zu erschrecken und wer eine Höranlage hat, sollte diese in Gesprächen einsetzen.

Auch ist es immer gut, den eigenen Akku schnell wieder aufzuladen, das gelingt am ehesten durch Lachen. 😊

Jeder hat dann noch von seinen Erfahrungen erzählen wollen und so war die Zeit im Nu um, dass wir Abschied nehmen mussten von Frau Strässer. Es war eine sehr schöne amüsante Zeit gewesen. Wir dankten ihr herzlichst für ihr Kommen und wünschten ihr eine gute Heimfahrt ins Saarland.

Viola Brandenfels 

Foto: Lothar Neuberg

Zweiter Teil des Workshops

Dipl. Ing. Ahmed Bellagnech und M.Sc. Lilian Rusczyk von der Bosenbergklinik (Fachklinik für HNO/Hörschädigung/CI) in St. Wendel waren unsere Gäste und referierten über Hörimplantate, Zusatztechnik und über Therapieangebote der Klinik.

In der Fachklinik kann folgendes behandelt werden:

Tinnitus, Hörbeeinträchtigungen, Geräuschüberempfindlichkeit (Hyperakusis), Gleichgewichtstörungen/ Schwindel, Morbus Meniere. Außer diesen Indikationen gibt es noch eine Vielzahl anderer Therapieangebote, die für uns CI-Träger hilfreich sind.

Ausführlich wurde über Reha und die Blockwoche informiert. Für Beschäftigte gibt es eine medizinisch orientierte Reha „MBOR" genannt. Im Klangraum der Klinik können viele Arbeitsplätze (Büro, KITA, Werkstatt etc.) optisch und akustisch simuliert werden. Gruppentraining und intensives Einzelhörtraining sind wichtige Teile der Reha sowie die Sprachprozessoreinstellung.

Ein für uns wichtiger Teil war die Erläuterung und Handhabung des Sprachprozessors und die dazugehörige Zusatztechnik. Jede CI-Firma hat ihre eigene CI-Zusatztechnik. Es gibt auch Technik für alle CI-Geräte. Besonders hilfreich sind die Hilfsmittel am Arbeitsplatz für Berufstätige. (Roger Pen, Roger On, spezielle Telefone etc.), Zusatzgeräte für zu Hause können alle CI-Träger nutzen. Dazu gehören Funksignalanlage, Licht-Vibrationswecker, spezielle Telefone etc.

Alle diese Technik/Hilfsmittel bedeuten für uns CI-Träger Barrierefreiheit und Selbstständigkeit. Bei Beantragung der Hilfsmittel gibt es oft negative Bescheide der Krankenkassen. Herr Bellagnech empfiehlt uns „zu kämpfen"! Auch bei der beantragten Blockwoche gibt es oftmals nur nach einigen Widersprüchen die Zusage der Krankenkasse.

Frau Rusczyk und Herr Bellagnech beantworteten all unsere Fragen und gingen auch speziell auf jeden Teilnehmer, der Probleme mit CI und Technik hatte, ein.

Als wertvolle Tipps gaben uns beide, HG und CI jeden Tag in die Trockenbox zu legen, Filter zu wechseln, bei CI-Ausfall selbst einmal nach dem Fehler zu suchen, dazu haben wir von allen CI- Firmen viele Ersatzteile und Infos erhalten. Meistens kommen die Ausfälle am Wochenende, wenn kein Techniker zu erreichen ist!

Liebe Frau Rusczyk, lieber Herr Bellagnech, wir sagen herzlichen Dank für den so interessanten Nachmittag mit Euch!

Wir freuen uns schon heute auf den nächsten Workshop mit Euch.

Gisela Mathä 

Foto: Viola Brandenfels

Dritter Teil des Workshops

Am Sonntag war ein Vortrag mit den Themen Der Weg des Schwerhörigen zur CI Entscheidung" und„Reimplantation" von Herrn Dr. Servais mit anschließender Fragerunde geplant.

Wir haben uns um 9:30 Uhr im Schulungsraum getroffen und vorab Fragen zu den Themen Reimplantation, MRT und Tinnitus zusammengestellt. Zu unserer eigenen Überraschung stellten wir fest, dass das Thema Reimplantation nicht nur rein in die Zukunft als Info zu sehen war, sondern fünf Teilnehmer des Workshops tatsächlich entweder schon reimplantiert sind oder kurz vor der Reimplantation stehen.

Herr Dr. Servais war ab 10:30 Uhr an der Reihe und schlug vor die Fragerunde vorzuziehen und falls dann noch Zeit sei, den Vortrag zu halten. Eine schlechte Nachricht hatte Herr Dr. Servais zum Thema Tinnitus: Es gibt leider immer noch keine Tablette, die ihn beseitigt. Er ist ein guter Freund, der sich immer meldet, wenn wir langsamer machen sollen.

Für das MRT gilt immer noch: nur durchführen, wenn es unbedingt erforderlich ist, und wenn dann nur in bestimmten Radiologie Zentren, die mit den implantierenden Kliniken zusammenarbeiten.

Es kamen so viele Fragen, die Herr Dr. Servais ruhig und geduldig beantwortete. Im Nu war die vorgesehene Zeit um.

Ein leckeres und gemütliches Mittagessen rundete den Abschluss des Workshops ab.

Lothar und Ricarda Neuberg 

Foto: Lothar Neuberg
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