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Eine musikalische Lesung

Am 7. Oktober 2016 fand im Orchesterprobensaal in der Oper Frankfurt, Willy- Brandt- Platz eine musikalische Lesung zur Förderung des Hörverstehens von Sprache und Musik statt.

Wir kamen zahlreich, unter alten Bekannten begrüßte man sich freudig, es gab auch viele neue Gesichter.

Sascha Roder führte uns auf anregende, humorvolle Weise durch das Programm. Er ist, zusammen mit Ingrid Kratz, der Organisator der Veranstaltung. Sascha las vor, voller Begeisterung und im Wechsel mit Stefanie Mau, die als Profi ebenfalls mit viel Engagement deklamierte.

Die musikalische Begleitung auf der Violine verdankten wir Frau Almut Frenzel-Riehl, die uns wieder mit ihrer  Kunst betörte. Die Herren Volker Riehl und Wolfgang Kaiser betreuten zuverlässig und professionell die Technik.

Initiatoren der Veranstaltung waren  Ingrid Kratz und Sascha Roder, welche mit freundlicher Unterstützung der AOK Hessen, vom CIV HRM e.V., der HNO-Universitätsklinik Frankfurt und der Oper Frankfurt die Lesung umsetzen konnten.

Zur Begrüßung hieß uns Professor Baumann willkommen und würdigte die Leistung aller Mitwirkenden. Er ließ uns wissen, dass die AOK Hessen und der CIV HRM e.V. als großzügige Sponsoren uns sogar noch mit einem reichhaltigen Büffet in den zwei kleinen Pausen und zum Ende der Veranstaltung bedacht hatten.

Nach einem Überblick auf das Programm forderte uns Sascha Roder auf, etwaige akustische Mängel zu melden, um ein allseits gutes Hören sicher zu stellen, und sorgte dafür, dass die Bestuhlung ergänzt wurde, zumal das Publikum offensichtlich zahlenmäßig die Erwartungen übertraf. Er kündigte uns an, dass es für uns Gehörgeschädigte viel für die Ohren geben sollte. 

In der Tat, zum „Reinhören“ gab es nun ein wunderschönes Violinensolo von Frau Almut Frenzel-Riehl, eine Sarabande von J.S. Bach, Klänge, die an Feinheit und Reinheit kaum zu übertreffen waren. Das entzückte Publikum lauschte andächtig.

Der literarische Star des Abends sollte nun Christian Morgenstern sein, nachdem Sascha Roder einen aufschlussreichen Einblick in das Leben des Dichters gab, seine Herkunft, Bildung, unzählige Reisen sowie schwere Krankheiten, Umstände, die den Ursprung des skurrilen Tiefsinns seiner Gedichte erahnen ließen.

Mit Pathos führte der Exkurs durch Galgenlieder, man streifte das Mondkalb nach dem Wiesel auf dem Kiesel, und hörte auch vom Nasobém, in bedächtiger, einprägsamer Weise vorgetragen, was all dem Bedeutung verlieh. Wir erfuhren den Zusammenhang zwischen Palmström und August Strindberg, man erwähnte das leere Zimmer voller Wahnfiguren, die glotzgeäugten Karpfen und ein Fazit, dass „nicht sein kann, was nicht sein darf“. Erleichtert erfuhren wir den Abschluss seiner Lebensrechnung, in der die Posten sich aufhoben. All dies wurde mit einem Geigen-Seufzer unterstrichen und begleitet, einem skizzierten Tongemälde aus der Violine von Frau Frenzel-Riehl. Zum Ende des ersten Abschnittes vor der ersten Pause folgte eine Geschichte von Heinrich Böll, die bereits musikalisch von der Violine eingeleitet worden war. Es handelte sich um einen Weihnachtsbaum und dessen Zierde in Form von gläsernen Zwergen, die mit Kork-Hämmern unter gewissen Umständen eine wundersame Musik erzeugten, die von „Frieden“ flüsterndem Engel begleitet wurde. Die Tragik der Geschichte war, dass der Baum zu Schaden kam und noch tragischer, die Tante, die demzufolge einen nicht endenden Schreikrampf bekam, der durch nichts und niemand zu beenden war. Die Bemühungen, der armen Tante zu helfen bildeten auf amüsante Weise den Kern dieser Erzählung.

Unseren leidenschaftlichen Lesern, die uns alle in den Bann des Geschehens zogen, musste nun eine kleine Pause gewährt werden, wonach wir noch einmal in die Welt von Christian Morgenstern eintauchten, denn wie konnte man diesen wunderschönen Vergleich zwischen Sperling und Känguru ungelesen übergehen, es fehlten auch nicht der kleine Hund namens Fips oder die drei Spatzen, ganz zu schweigen von dem tollen Geierlamm, der Mitternachtsmaus oder den zwei Wurzeln.

Jetzt aber wurde es richtig ernst, man sprach über Gotthold Ephraim Lessing, einem Dichter der Aufklärung, einen weiteren unruhigen Geist, der (auch im eigenen Interesse) den Konflikt zwischen Adel und Bürgertum in Form eines Theaterstückes darstellte. So bekamen wir die Dialoge des  Vierten Aufzuges 5. Auftritt und Vierten Aufzuges 7. Auftritt von „Emilia Galotti“ zu hören.

Sascha Roder deklamierte so leidenschaftlich, kraftvoll, laut, wir zuckten zusammen, beim „Küssen möcht ich den Teufel, der ihn dazu verleitet hat“  … Stefanie Mau, (ungläubig, jedoch entrüstet, fragend) „die Gräfin?“ (Marinelli) „Der Prinz ist ein Mörder!“… „Wer mir widerspricht der war des Mörders Spießgeselle!“… „Tochter, schlimmer als tot!“
Wir waren erschüttert ob der schauspielerischen Leistung und bekamen alle noch eine kleine Pause.

Zum Abschluss der Tannenbaumtragik durften wir, zu unserer Erleichterung, erfahren, dass es auch eine Tannenbaum-Therapie gab, die endlich die Heilung der noch immer schreienden Tante bewirkte. Zwar wurde es mittlerweile schon Februar und damit Karnevalszeit, der herzensgute Onkel  Franz hatte für Ersatz gesorgt, wurde jedoch am Ende vom Abstauben der Wachspuppen ein wenig lebensmüde.

Als Dessert gab es noch ein paar winzige, witzige Gedichtchen von C. Morgenstern, darunter der „ Der Zwölf-Elf“, „Winternacht“ und „Das Grammophon“…

Und dann das Beste: die Bach-Sonate für Violinsolo Nr. 3 in b-moll, eine seltene Köstlichkeit, mit Perfektion und Hingabe dargeboten.

In der Tat, es gab wirklich Einiges und Wunderschönes für unsere Ohren.

Fotos: Danuta Depka Prondzinska

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